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Der zerbroch'ne Krug 2.0

Tragödie in drei Akten für 4 Schauspieler

Personen

Karl Klausson, der Journalist
Henrietta Hilbert, seine Frau
Moritz Mager, der Geschichtenerzähler
Boris, ein einfacher Bauer

Eine europäische Großstadt, um 1806

1. Akt: Die Einleitung

Karl Klausson betritt das Schlafgemach seiner Frau Henrietta, sie ist bereits für die Nacht bereit gemacht, hat ihr bodenlanges Nachtgewand an und kämmt sich vor dem kerzenbeleuteten Spiegel das lange brauen Haar. Es handelt sich um eine Wohnung im Dachgeschosse, neben dem Bett ragen mächtige Dachgaupen in das Zimmer, die Dachschräge mit dem Fenster ist gut zu erkennen, der Mond ist zu einer schmalen Sichel geformt. Karl ist gefühlsmässig erregt und scheint ein wenig ausser Kontrolle. Er öffnet die Tür forsch und ohne zu klopfen.

Karl: Er hat es schon wieder getan!
Henrietta: Kannst Du denn nicht klopfen, Karl. Schon tausendfach hab ich es Dir gesagt. Ich habe Dich gebeten zu klopfen wenn Du so spät noch mein Zimmer betrittst.
Karl: Sei still! Klopfen hin oder her, er hat es schon wieder getan! Dieser Bastard, dieser mittelmässige Schreibknecht, dieser, dieser....
Henrietta: Jetzt beruhige dich doch, was hat er schon wieder getan? Wer überhaupt?
Karl: Na Moritz Mager, dieser Freizeit Schreiberling, dieser selbsternannte Autor, dieser....
Henrietta: Ach so, du meinst Moritz Mager, den Journalisten.
Karl (langsam und laut): Sag nie wieder "Journalist" zu ihm, Journalisten sind eine ehrenvolle Profession, wir Journalisten haben einen Ethos, Moral, Fertigkeit, Wissen und Passion für unseren Beruf. Ach was, es ist nicht nur ein Beruf es ist eine Berufung! Eine Gott gegebene Gabe, derer wir uns erfürchtig erweisen müssen. Wir wurden geboren um diese Berufung zu erfüllen und wir leiden jeden Tag um diese Bürde tragen zu können. Du weisst am besten wie ich leide....
Henrietta: Ja ich weiss wie Du leidest, du zeigst es mir täglich. Aber was hat er denn schon wieder gemacht, dass du dich so empörst?
Karl: Eines seiner unsäglichen Pamphlete in Umlauf gebracht. Er nennt es jetzt "Notizblog" und hat schon zum dritten Mal in diesem Jahr seine gesamte Aufmachung verändert. Er nennt sich jetzt ausserdem noch "Moritz Magr" und sagt, das wäre einprägsamer. Es ist absurd, ein absurdes Pamphlet ist das, ohne jeden Wert, bloss zur Verdummung der Menschheit gedacht. Er schreibt er möchte es jetzt noch öfter herausbringen, am liebsten täglich! Hörst Du, täglich! Eine Katastrophe!
Henrietta: Aber war regst du dich so auf, liebster Karl, soll er es doch so oft drucken wie er möchte, was macht dich so ungestüm?
Karl (verständnislos): Aber Henrietta?! Siehst du das denn nicht? Er zieht unsere gesamte Profession in Mitleidenschaft! Was wenn die armen Menschen da draussen glauben das was er da mache sei ehrenhafter Journalismus? Was wenn sie das lesen was er drucket? Gar nicht auszudenken was passieren würde, wenn sie vielleicht auch noch Gefallan daran fänden! Eine Katastrophe sondergleichen!
Henrietta: Aber warum denn? Hat Eurer Zeitung denn nicht ohnedies genug Leser? Und wieviele Menschen gibt es überhaupt die lesen können?
Karl: Genug Leser? Man kann nie genug Leser haben. (leiser, mehr zu sich selbst als zu Henrietta) Ausserdem hat unsere letzte Untersuchung ergeben, dass der Verkauf an den Kiosken und bei den Kolporteuren zurückgegangen ist. Nicht auszudenken was passiert wenn sich diese Entwicklung fortsetzt.
Henrietta: Aber wenn ihn die Leute so lieben, warum engagiert ihr ihn dann nicht?
Karl (wieder mehr zu sich selbst): Mir scheint sie fiebert. Oder aber die Frauen verstehen doch nichts davon.
Henrietta: Ihr könntet ihm eine eigene Kolumne geben, so wie Du eine hast, dann würden seine Leser auch eure werden.
Karl (noch immer zu sich selbst, deutlich verängstigt): Viel schlimmer, mir scheint sie meint es ernst. (zu Henrietta) Nein, es führt kein Weg daran vorbei, wir müssen ihn in Grund und Boden schreiben. Die letzten Monate haben wir versucht ihn einfach nicht zu erwähnen um ihm nicht noch mehr Verbreitung zu ermöglichen, aber jetzt ist Schluß. Morgen Früh werde ich beim Redaktionsrat den Antrag einbringen ihn durch schonungslose Aufdeckung seiner Praktiken zu demontieren. Der wird sich schon noch wundern!
Henrietta: Was ist wenn du scheiterst und sein Magazin sich weiterhin großer Beliebtheit erfreut?
Karl: Das ist nicht möglich, wer das glaubt unterschätzt unsere Macht!

(Karl ab, mit Schwung durch die Türe.)

2. Akt: Auf dem Markt

Auf dem Markt der Stadt, ringsum stehen verschiedenste Händler und verkaufen allerlei Waren. Weiter vorne steht ein Magier, er sage er käme vom Amazonas, der auf Geheiss der Passanten jeden nur erdenklichen Gegenstand unter seinem Hut hervorzaubert. Daneben steht ein Mann mit russischem Akzent und einem unaussprechlichen Namen der verspricht alles was man auf diesem Markt kaufen könnte, zu finden. Unter ihnen ist auch ein hagerer Herr mit einem seltsamen T-Shirt auf dem in großen orangen Lettern ein "B" zu lesen ist. Es ist Moritz Mager, neben ihm steht Boris, ein einfacher Bauer mit seiner Kuh.

Moritz: Das ist mein neues Notizblog, es wird dir gefallen, ich habe es komplett neu gemacht und nenne es jetzt auch anders. Es heisst jetzt "Magr" und ist eine Sammlung von Beobachtungen und Bemerkungen über das Leben, die Welt, den Himmel und das Meer. Ich plane es jetzt täglich herauszugeben, mit immer neuen und spannenden Geschichten.
Boris: Hm.
Moritz: Wie gefällt dir das neue Erscheinungsbild? Die Bilder? Und sieh, ich habe bei jedem Artikel einen kleinen Faden angebracht, so kannst Du die Artikel die dir gefallen zusammenbinden und findest sie schnell wieder. Ich nenne es MURL, das steht für "Magers ungemein revolutionäres Lesezeichen". Was hältst du davon?
Boris: Hm.
Moritz: Ich wusste es gefällt Dir.
(Stille)
Moritz: In dieser Ausgabe habe ich übrigens einen Artikel über die Verdauung von Kühen und deren Beitrag zur Verringerung der Ozon Schicht geschrieben. Höchst interessantes Thema. Ich habe ihn "Kuhzon" genannt, du weisst ein griffiger Titel ist immer wichtig.
(Stille)
Moritz: Weisst du es ist gar nicht so einfach jeden Tag etwas zu schreiben. Es gibt Tage da fällt mir gar nichts ein. Aber ich versuche dennoch zu schreiben, das hält fit und manchmal kommen ganz nützliche Artikel dabei heraus.
Boris: Hm.
Moritz: Ich wüsste ja zugern wieviele Leute mein Magazin lesen. Glaubst du es sind 10? Oder gar 20? Es wäre wunderbar wenn ich jeden Tag 20 Menschen erreichen könnte. Das wäre wunderbar. Glaubst du das liesse sich machen?
Boris: Hm.
(Stille)
Boris: Du könntest zu jeder Ausgabe einen Sack Futtermittel gratis dazu verschenken. So machen es die großen Zeitungen. Dann lesen es garantiert die Bauern.

3. Akt: Die Revanche

In der nächsten Ausgabe der "Morgenpostille", des Blattes für das Karl Klausson seit Jahrzehnten als Kolumnist schreibt, erschien folgender Artikel:

Wider die Revolution
von Karl Klausson

Ei, Ei, ein Finsterling geht um und er befindet sich in mitten unserer Reihen. Sie werden ihn nicht gleich erkennen, werter Leser, denn gar zu wandelbar ist seine Gestalt. Bald kommt er in Form eines einfachen, gefällig aufgemachten Pamphlets in ihre Hände, bald flüstert es Stimmen wie von Geisterhand in ihr wertes Ohr. Sollt auch schon vorgekommen seyn, es hat sich in bewegten Bildern ihnen dargestellt. Einerlei, wie's denn auch sei, es ist des Teufels, das ist gewiss. Es ist das Werk eines mediokren Menschen, vormals Knecht soll er gewesen sein, der nun mit fremden Federn sich geschmückt, am Schreiben sich sehr wohl versucht. Dabei ist einzuwenden nichts, gegen ein flottes Manifest, einen schnell gegossenen Reim, der gut erfreut des Lesers munteres Gemüt, doch was der jene eben sich anmaßt geht doch entschieden zu weit. Zum "Journalisten" ausgerufen hat er sich, ist angetreten zu revolutionieren eben jene Zunft die er so eitel wünscht zu düpieren dann und wann. Doch wir sind fest entschlossen wider die potemkinsche Revolution unsere Pflicht mit Bedacht zu erfüllen. So seien Sie gewiss, dass wir nicht jeder flinken Feder gleich kampflos das Feld überlassen.

Auf Seite 3 eben dieser Ausgabe erschien ein Artikel in der Rubrik "Neues aus der Welt" mit dem Titel "Kuhzon - Wie Kühe unser Ökosystem gefährden".
Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 22. Februar 2006, 00:17 verfasst und hat noch keine Kommentare. Sie können ihn kommentieren oder über Trackback sowie den Permalink darauf Bezug nehmen.




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