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Österreich, die Welt und Turin

Ich gestehe: ich bin kein großer Sportler vor dem Herrn. War ich noch nie, werde ich wohl auch nie sein, ist aber (von den Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit und das darob höhere Krankheitsrisiko und die vermutlich geringere Lebenserwartung) auch nicht so schlimm.

So begibt es sich also auch, dass ich weder Winter noch Sommer ein glühender Bewunderer jener Gruppe von Menschen bin, die sich bei unzähligen Wettkämpfen das Herz aus dem Leib rennen, radeln, schießen, fahren oder ähnliches. Kurz: Sport ist mir egal. Und das nicht nur zufällig, sondern mit Methode.

Das ist mit großer Wahrscheinlichkeit auch der Grund, warum mich Olympia kalt lässt. An mir vorübergeht. Nein, an mir vorüberschleicht. Manchmal spüre ich eine leichte Brise im Nacken, das war dann meistens eine verfehlte oder doch gewonnene Medaille (so genau ist das Nackensensorium dann doch nicht um diesen feinen Unterschied zu bemerken) oder sonst ein Skandal.

Es ist ja scheinbar so, dass Begeisterung und Empörung etwa ähnliche Auswirkungen haben. Nachrichtensprecher im Radio tendieren dazu die "Drogenrazzia" in den Quartieren "unserer Biatlethen", bei der "die italienische Polizei nur wenige Stunden vor dem Wettkampf" die "furchtbar kahlen und spartanischen Unterkünfte" unserer Sportler "gestürmt" hat. Aufatmen! Es ging nur um deren Trainer. Der eine einschlägige Vergangenheit in Punkto Doping hat, längst rehabilitiert und weiterhin Cheftrainer der Österreicher ist, aber vom IOC leider für Olympia weiterhin gesperrt geblieben ist. Irttum? Bosheit? Zufall? Verschwörung! Gott sei Dank gilt in der EU immer noch der freie Personenverkehr, weshalb der gute Mann "offenbar doch nach Turin gefahren ist".

Bitte nicht falsch verstehen: es geht hier nicht um einen Trainer, dessen einziger Fehler es war vor 4 Jahren "alles in seiner Macht stehende" getan zu haben "damit unsere Sportler" den so sehnlichst erwarteten Medaillensegen auch tatsächlich erbringen können. Die Erwartungen erfüllen. Einer Goldmedaillenhungrigen Nation den so notwendigen Tribut zollen. Ihre Leistung erbringen.

Vielleicht ist es nur meine subjektive Wahrnehmung, aber es scheint als wäre zu keiner Zeit die veröffentlichte Meinung so tonangebend für die öffentliche Meinung wie just zur Zeit der Olympischen Spiele. Das edle Motto "dabei sein ist alles", gilt allerhöchstens noch für Fotografen und das obligate Finish, sollte dies mangels Wettkampfmodus ausfallen, so zumindest für die Siegerehrung (die wie man in höchsten Kreisen konstatiert "eine Zumutung sein soll").

Dort bekommen die Atlethen dann jenes kostbare Gut überreicht, dessen Ähnlichkeit mit einer CD um 16,99 dieses Jahr nur den findigsten Journalisten dieser Erde aufgefallen ist. Manche Verschwörungstheoretiker vermuten bereits einen versteckten Werbefeldzug für die darniederliegende Musikindustrie, sollen doch Konsumenten durch den optischen Reiz zum Kauf eben jener Silberlinge bewegt werden, die da um die Hälser baumeln. Der eher praktisch veranlagte Mensch erkennt in der Sekunde die Alltagsimplikation hinsichtlich Befestigung am Hals, an Wänden und auch die Auswirkungen auf eine platzsparende Versorgung in einigen Jahren (stapelbar!). Wenn Dorfmeister, Raich und Co. denn einst Hoteliers in bekannten Wintersportdomizilen und/oder Kommentatoren für überaus wertvolle Live Übertragungen sind, so können die Medaillen denn auch zu dekorativen Serviettenringen verwertet werden und so den Ehrentisch einer jeden Hochzeitsgesellschaft entscheidend bereichern.

Ich vermute man nimmt mir jenen unverhohlenen Zynismus bereits jetzt ernst. Ich weiss, Zynismus ist nur die Aggression der Intellektuellen, doch weitgefehlt. Weder regt sich Aggression in mir, noch würde ich mich als Intellektuellen bezeichnen. Es ist ein seltsames Gefühl von Amüsement, ein sanftes, mildes Lächeln über diese Perversion die sich Spitzensport nennt und immer sonderlichere Ausmasse annimmt.

Beinahe die gesamte Österreichische Medienlandschaft hat sich dem Diktat der olympischen Nachrichten aus Turin unterworfen, und das obwohl Italien während des Jahres bloss gut für a) geharnischte Berichterstattung über die neuesten Widerlichkeiten eines gewissen Silvio B. b) belächelnde Kommentare über Rauchverbot, Helmpflicht und den Zustand der Parteienlandschaft oder c) Boulevardeske Grotesken aus den Häusern und Gärten italienischer Pop-, Rock- und sonstiger Barden ist. Der Ö3 Wecker kommt neuerdings aus einer Glashütte mitten im Olympischen Dorf (so manch einer wünscht sich schon, dass dieses Engagement auf Lebenszeit verlängert wird, jedoch ohne die Leitungsgebühren für die Übertragung weiter zu bezahlen. Man stelle sich nur die engelsgleiche Stille vor!), Fernsehen besteht seit dem Beginn "der Spiele" sowieso nur noch aus Sportübertragungen am laufenden Bande, Nachrichten oder günstig eingekauftem Film- und Serienmaterial.

Und warum das alles? Weil unser Nationalstolz sichtlich direkt proportional zur Anzahl unserer Medaillen ("Mädön" wie das Fifi Pissecker von den Hektikern in einem legendären Sketch ["Bumm, zack, än die Goschn"] einmal bezeichnet hat) zu sein scheint. Weil wir uns die EU Präsidentschaft sparen hätten können und stattdessen lieber ein paar "Botschafter" in engen Rennanzügen und feschen Mützen ausgesandt hätten, die dann mit wehenden Fahnen unser Land repräsentieren.

Doch ein gutes hat es dann doch wenn die "Olympioniken" versuchen "ein Leiberl zu reissen": es kommen auch Sportarten wie Rennrodeln endlich mal zu "Airtime", wenn auch nur um den "Vollzug der Goldenen" zu vermelden, die den Skihaserln leider nicht zu gelingen schien. Auch wenn jener Doppelsitzer mit den beiden Brüdern schon jetzt wieder vergessen ist und auch nicht mehr viel mehr hergeben wird als einen Sport am Montag und ein Werbeengagement für Salzstangerl oder Schokolade, zumindest kurz hat ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung erfahren, dass es ein Leben nach Maier, Raich und Dorfmeister gibt.

Immer wieder faszinierendes Detail am Rande: ein großer Teil der Sportler die da munter sporteln ist eigentlich im Heeresdienst beschäftigt, also soetwas wie zur Landesverteidigung abgestellt. Das "Kriegsgerät" ist freilich ein anderes, die Mission jedoch nicht minder wichtig: geistige Landesverteidigung. Wer sonst in der Bedeutungslosigkeit versinkt und nur mit wundersamen Figuren aus dem südlichen Österreich Schlagzeilen macht, kann zumindest am sportlichen Schlachtfeld keine Kompromisse machen. Schließlich war das schlimmste an der Abfahrt nicht, dass kein Österreich "die Goldene" gemacht hat, sondern dass "ein Franzos'" den Zufall und eine extra Portion Glück auf seiner Seite hatte. Jetzt kann's fast nicht mehr schlimmer kommen, ausser ein Italiener g'winnt noch. Dann wär allerdings eine Revanche fällig.

Die Frage "danach" wär dann auch schon geklärt: "Wie gehts Ihnen nach dem Rennen?" "Besser."
Dieser Beitrag wurde am Montag, 20. Februar 2006, 10:06 verfasst und hat noch keine Kommentare. Sie können ihn kommentieren oder über Trackback sowie den Permalink darauf Bezug nehmen.



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